perdus dans l'espace











In Joachim Bandaus Kabinenmobilen wirken das Prinzip der konstruierten Körperhülle und das der scheinbaren, weil unbeeinflußbaren Mobilität. Man erkennt den Weg erst während der Fahrt. Ein schmaler Sehschlitz nach vorn gibt den Blick in die Umgebung frei. Der Gefahrene ist entrückt und doch präsent, die eindeutige Form der Kabine lässt auf ihn und seine Haltung schließen. Stößt das Mobil auf ein Hindernis, wendet es sich automatisch in eine andere Richtung. Man fährt den Weg des geringsten Widerstands. Ein Bild für das Prozedere der Evolution oder die Gelassenheit sich dem eigenen Lebensweg und den daraus entstehenden Möglichkeiten anzupassen. 

Frederik Foerts Arbeit mit dem schwingenden Maßstab ist offen, flexibel und grunglegend Raum bezogen konzipiert. Sie ist ein Gefüge aus Einzelelementen, die als Summe im Kopf des Betrachters zu einem Mehrwert durch die ausgelösten Assoziationen gelangt. Der Horizont des Betrachters wird vermessen und geweitet. Ob man will oder nicht, denn sie belegt unsere Aufmerksamkeit durch die Bewegung, die das Auge unwillkürlich anzieht. Diese Assemblage könnte auch ein Hinweis auf die stetige und ungleichmäßige Expansion des Universums und ein Bild für die Quantentheorie und die Versuche diese Erkenntnisse in das klassische Verständnis der Welt einzubinden. Die oft zu esoterisch/Wissenschaftlichen Eiertanz/schlammschlachten verkommen und Maßstäbe zu Wünschelruten oder Degen macht. 

Gabriele Jerke wird durch ihre Zeichnungen zur Archivarin. Sie sammelt Objekte und überführt sie im Akt der Zeichnung in ihren Besitz. Somit entzieht sie diese Dinge dem Strudel der Zeit, der sie schreddern und ins Nichtmehrsein verschleppen würde. In ihrer neuen Existenz werden sie zu Zeichen und Codes, die durch ihre zeichnerische Sorgfalt von der starken Präsenz des Urgegenstands berichten. Eine zusätzliche Ebene erhalten sie durch die Briefmarken, aus denen Jerke winzigen Bildausschnitte verwendet. So wie die Bilder auf den Marken, den Herkunftsort bestmöglich repräsentieren und in die Welt verschickt, Botschafter ihres Wertesystems sind, so bilden Jerkes Zeichnungen eine Matrix ihres eigenen komprimierten Werte- und Wahrnehmungsystems.

Timo Nasseris Fotos zeigen Details von Raumsonden und Satelliten, die ins All befördert, eine weite Reise machen und gesammmelte Informationen zu uns schicken. Sie sind expandierte Sinnesorgene, externe Extremitäten, unsere Stellvertreter im nicht erreichbaren Raum. Ursprünglich als Spione und Waffensysteme konzipiert, können sie nun zu neuem Wissen verhelfen, das weit jenseits von Territorialansprüchen und Machtausbau liegen könnte und die Möglichkeit birgt neue kosmologische Zusammenhänge zu erkennen. Zudem sind Nasseris Fotos Dokumente von Artefakten, die ihre Schönheit auch im Auge des Nicht-Technikers entfallten. Für den Unkundigen sind dort Preziosen abgebildet die erahnen lassen, daß sie auf dem Wissen vorhergegangener Generationen von Forschern basieren und wieder ein Schritt auf unbekanntes Terrain sind.

Joachim Knobloch baut Dinge aus Dingen. Aus einfachen Kunststoffformteilen schachtelt und häufelt er komlexe Objekte, die einen freien Einlick in seine Arbeitsweise geben. Aus konkreten Gebrauchsgegenständen werden abstrakte Konstrukte, die ihre ursprünglichen Verwendungsmöglichkeiten in sich tragen, aber darüber hinaus die Möglichkeit aufzeigen die Determiniertheit der Warenwelt zu brechen und Dinge unter subjektiven Aspekten zu konfigurieren. Die industriell genormten Gegenstände werden zu den Materialien einer selbstgeschaffenen Natur. Diese Box ist Inhaltsträger ohne Inhalt. Gedanklich befindet man sich in ihr und ist entrückt von Raum und Zeit. Man stellt sich vor, es ist dunkel und Geräusche dringen nur dumpf hinein. Eine Tonne in der man die Niagarafälle hinunterstürzen kann oder sich als blinder Passagier in einen Frachtraum schmuggelt.

Ulrich Kochinke öffnet in seinen Zeichnungen Räume, die von Formen und Texten bewohnt werden. Sie nutzen dasselbe Medium in unterschiedlichen Dimensionen. Die Formen, die in präzisen Linien Architektur, Gestalten und Symbole darstellen oder auch nur Linien sind, schweben im undefinierten, weißen Raum des Blattes. Deuten aber, durch ihre perspektivischen Eigenschaften, diesen Raum an und der Betrachter erhält in ihm seine Position, relativ zum abgebildeten Objekt. Auch die Schrift ist, ungelesen, ein weiteres Element in dieser Komposition. Gelesen greift der Inhalt auf den Betrachter über und macht ihn zum Produzenten einer weiteren Sphäre. Der Text braucht den Leser, um als Raum gebildet und ausgestattet zu werden. Eine weitere Leistung des Betrachters ist Bezüge zwischen diesen verschiedenen Systeme herzustellen, zu assoziieren und zu spekulieren. Neuronen schießen Impulse in alle Richtungen. Wird eine Erinnerungen aktiviert, öffnet sich ein neuer Raum.

Olivia Seilings Mutterschiffskulptur ist die Durchmischung verschiedener Wirkungsträger. Der voluminöse Körper entlehnt sich von einer kleinen, ca.25 000 Jahre alten Venusfigurine, gefunden im heutigen Iran. Als Architekturmodell mit Innenraum und Fenstereinschnitten in der Rückansicht wird Le Corbusiers Wallfahrtskapelle Notre Dame du Haut in Ronchamp zitiert. Die Farbigkeit orientiert sich an den sichtbaren Spektralfarben und an psychedelische Farbräuschen der 1960er Jahre. Der Körper wird hier zum Schiff, in dem man sich durch Raum und Zeit bewegt (Meine Haut = mein Raumanzug). Ein Gebilde das sich gemäß unserer visuellen Perzeption formt, um gleich wieder zu vergehen. Sie ist ironischer Homunkulus, unperfekte Menschmaschine und Astralkörper. Und sie reist mit Lichtgeschwindigkeit. Die Selbstpotraitzeichnung Seilings zeigt einen Aus- und einen Einblick. Im beschirmten Blick in die Ferne zeigt sich der Wille die Distanz aus Hier und Dort zu überwinden, sich im Raum zu orientieren, Wege zu finden. In der Videoarbeit “Im Berg” ist Seiling der Motor einer amorphen, gebirgsartigen, sich wälzenden Form aus Folie, die an die hügelige Venusoberfläche auf den Infrarotfotos der Nasa-Sonde Magellan erinnern. Ihren dramaturgischen Abschluß findet sie in einem Verweis auf die, nicht nur architektonische, Notwendigkeit von Fenstern/Ausblicken. Es scheint, daß Drinnen immer das Draußen sucht, Körper und Bewußtsein darum Teil des Raumes sein können. 
   
Konzept und Text Olivia Seiling 2008




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